Haltestelle in der Gemeinde Pörtschach, Kärnten, Österreich, 2023. Foto: Johann Jaritz, commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0

4. Oktober 2023
Lesedauer 3 Minuten

bachrauf-Serie: Verkehrswende
Teil 3

Über die Serie
Der Transport von Menschen und Gütern erleichtert das Leben, ist aber vielerorts längst noch keine Selbstverständlichkeit. In ländlichen Regionen kommt man oft kaum weg vom Fleck – nicht nur, aber vor allem im globalen Süden. In den weltweit schnell wachsenden Städten dagegen breitet sich der Autoverkehr noch immer weiter aus. Gleichzeitig bedroht das Auto den menschlichen Lebensraum – weil es Abgase und Lärm verursacht, zur Erderwärmung beiträgt und öffentlichen Raum beansprucht.

Wie können wir ihn den Menschen zurückgeben? Wie lässt sich der Lieferverkehr neu organisieren? Was bringt eine Automatisierung des Verkehrs? Und welche Rolle spielen dabei Schiene, Rufbusse und Fahrräder?

In dieser Artikelreihe beschäftigt sich Fritz Vorholz mit sechs Vorschlägen für eine nachhaltige Verkehrswende.

Ermöglicht wird die Automatisierung durch innovative Technologien im Bereich der Sensorik: vor allem durch LiDAR-Umgebungserfassung. LiDAR bedeutet Light Detection and Ranging und ermöglicht die Entfernungsmessung zwischen Objekt und Fahrzeug. LiDAR-Sensoren ersetzen quasi das Auge des Fahrers. Alle möglichen Verkehrsmittel werden in Zukunft mit solcher Technik ausgestattet, zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Busse, Straßenbahnen, Drohnen, selbst Fähren werden ihr Ziel auf diese Weise sicher erreichen – ohne Fahrer, Pilot oder Kapitän, was die Betriebskosten deutlich senkt. Die erste autonome Fähre hat im Sommer 2023 in Stockholm ihren Betrieb aufgenommen.

90 %

aller Autounfälle gehen auf menschliches Versagen zurück. Autonomes Fahren, so die Hoffnung der Entwickler, könnte die Unfallzahlen stark reduzieren.

Derweil wetteifern vor allem chinesische und US-amerikanische Unternehmen darum, wer auf der Straße beim autonomen Fahren die Nase vorn hat. Die noch zu lösenden technischen Herausforderungen sind aber nur eine Facette. Ebenso wichtig ist, welche Rolle autonome Fahrzeuge im Stadtverkehr übernehmen werden. Die Wirkungen könnten willkommen sein, aber eben auch „ungewollt“, heißt es in einer Studie der Uni Stuttgart. Erlösung oder Verderbnis, das ist die Frage.

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Video: Über das Laser-Messsystem Light Detection and Ranging (kurz LiDAR) und seine Rolle für selbstfahrende Autos. 2020, (11.53 Min., via yewtu.be)

Verderbnis: Tatsächlich haben autonome Fahrzeuge das Zeug dazu, das städtische Verkehrsaufkommen deutlich zu erhöhen. Anstatt zu parken, könnten sie in der Stadt zirkulieren, um ihren Haltern Parkgebühren zu ersparen. Sie könnten die Bereitschaft zum Pendeln erhöhen. Sie könnten auch Busse oder Bahnen ersetzen.

Erlösung: Autonome Fahrzeuge könnten sämtliche privaten Pkw überflüssig machen – wenn sie als Carsharing-Fahrzeuge genutzt und wenn Fahrten gemeinschaftlich absolviert werden. Die Menschen blieben genauso mobil wie früher, aber die Anzahl der Fahrzeuge im städtischen Straßenverkehr könnte auf 30 Prozent, womöglich gar auf 10 Prozent des derzeitigen Bestandes sinken.

Robomobile bereits unterwegs

Weniger Autos, aber mehr Verkehr – schließlich wäre auch das eine mögliche Zukunft, wie aus einer Studie des Beratungsunternehmen Deloitte hervorgeht. Es kommt eben darauf an.

Ziemlich sicher ist jedoch, dass der Erwerb autonomer Autos die meisten Normalverbraucher finanziell überfordern wird, zumindest vorerst. Kommerziell genutzt, als Robotaxis oder Sammeltaxi, versprechen sie allerdings gute Geschäfte, weil die Kosten für den Fahrer eingespart werden.

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Video: Über HEAT (Hamburg Electric Autonomous Transportation), einem in der HafenCity Hamburg bereits heute autonom fahrenden Linien-Bus. 2021, (4.33 Min., via yewtu.be)

Fahrerlose Minibusse werden bereits vielerorts erprobt. In Australien, in Deutschland, in den Niederlanden, vor allem in Japan. In einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger heißt es, Robomobile könnten vor allem ländlichen Regionen mit meist ungenügendem Angebot öffentlicher Verkehrsmittel wieder Anschluss verschaffen: Besonders den dort lebenden älteren Menschen, jungen Leuten ohne Führerschein und Personen mit Behinderung.

Mehr Lebensqualität dank autonomer Shuttles, so die Verheißung. Die Hoffnung beruht vor allem auf einem Umstand: Im herkömmlichen Busbetrieb in Industrieländern schlagen die Personalkosten mit einem Anteil von rund 45 Prozent zu Buche, ohne Fahrer wird das Gros dieser Kosten eingespart. Eine Untersuchung der Technischen Universität Hamburg ergab, dass störungsfrei autonom fahrende Shuttles tatsächlich fast ein Drittel günstiger wären als klassische Diesel-Minibusse. Experten erwarten, dass solche Robomobile womöglich schon ab 2025, spätestens aber bis 2040 marktreif sein könnten.

Der Text erschien zuerst in „tomorrow“, dem Technologiemagazin von Schaeffler Technologies AG & Co. KG, und wurde für bachrauf.org aktualisiert/modifiziert.

Weiterführende Links

Dr. Fritz Vorholz –
studierte in Köln Volkswirtschaft und Soziologie. Nach dem Studium arbeitete er für den Sachverständigenrat für Umweltfragen und von 1988 bis 2015 als Redakteur für die „Zeit“. Von 2016 bis Anfang 2020 leitete er die Strategische Kommunikation von Agora Verkehrswende. Seit Frühjahr 2020 arbeitet er wieder als Journalist, freiberuflich.