Foto: WorldSkills, CC BY-ND 2.0, Flickr

16. Februar 2021
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„Die Zukunft unserer Landwirtschaft ist Bio, sie kann allerdings Spuren von konventionellem Feldbau enthalten“, sagt Walter Haefeker. Diese Zuversicht stützt der Präsident des Europäischen Berufsimker-Verbandes auf aktuelle Entwicklungen und neueste Technologien, wenn man so will auf die Digitalisierung von Ackerbau und Tierzucht.

Um zu verstehen, was er damit meint, muss man sich die Arbeit am Laser Zentrum Hannover (LZH) anschauen. Seit über zehn Jahren untersuchen Wissenschaftler der Abteilung „Food und Farming“, wie Roboter Unkräuter erkennen und mit Hilfe von Laserstrahlen deren Wachstum beenden oder zumindest beeinträchtigen. Mit wie viel Energie muss das Ackerwildkraut getroffen werden? Welche Wellenlänge ist am besten? Wie oft muss der Einsatz wiederholt werden? „Die wesentlichen Fragen haben wir mittlerweile geklärt“, bestätigt Abteilungsleiterin Merve Wollweber. „Derzeit untersuchen wir, wie die Technik im Feld und auf dem Acker etabliert werden kann.“

In wenigen Jahren soll sie marktreif sein. Laser können dann auf große Landmaschinen oder auf Agrarroboter montiert werden, die mit einer Geschwindigkeit von wenigen Kilometern pro Stunde übers Feld fahren. Einmal aufgestellt, arbeiten solche Roboter den ganzen Tag autonom. Photovoltaik-Module können dazu beitragen, dass sie auch noch energiesparend und klimafreundlich ihren Dienst verrichten. Die möglichen Einsparungen liegen auf der Hand: Bei derArbeitszeit, beim Sprit und nicht zuletzt bei den Herbiziden, für die ein normaler Pflanzenbaubetrieb je nach Kultur zwischen 50 und 250 Euro pro Hektar und Jahr ausgeben muss.

Wie viel ein Landwirt für die Laser-Technik letztendlich bezahlen muss, konnte oder wollte Abteilungsleiterin Wollweber noch nicht genau sagen. Nur in einem ist sie sich sicher: „Die Zeit spricht für die Technik.“ Denn unabhängig von ihrer konkreten Anwendung werden Laser mit jedem Jahr leistungsfähiger und damit kostengünstiger. Walter Haefekerist da deutlicher: „Entscheidend wird sein, dass bei Entwicklungen, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, die Rechte am geistigen Eigentum auch ein Allgemeingut bleiben.“ Dann können beispielsweise mittelständische Landmaschinenbauer ungehindert preisgünstig Agrarroboter entwickeln und auf den Markt bringen. Die Uni Wageningen in Hollandschätze, dass derartige Geräte 5.000 Euro kosten werden.

Wie aber kann verhindert werden, dass Agrarkonzerne wie Bayer, Syngenta und BASF oder Internetriesen wie Google und Amazonbei der Digitalisierung der Landwirtschaft nicht die Hoheit über die Entwicklung bekommen? Der Imker-Präsident engagiert sich dazu „für Open Source, offene Schnittstellen und offene Systeme.“ Er sieht die Risiken der aktuellen Entwicklung, aber auch „eine enorme Chance für die Umwelt und die Bienen.“

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„Die Empathie des Bauern ist nicht ersetzbar“

Interview mit der Professorin für Agrartechnik der Uni Hohenheim Dr. Eva Gallmann
Von Horst Hamm

Dabei geht es längst nicht nur um Laser gegen Unkräuter. Das LZH beispielsweise ist bereits dabei, die Lasertechnik auf Blattläuse und Weiße Fliegen auszuweiten. Bilddatenbanken, mit deren Hilfe ein Roboter die Schädlinge erkennen kann, gibt es bereits. Jetzt muss auch hier untersucht werden, mit welcher Intensität der Laser vorgehen werden kann, ohne die Pflanze zu schädigen, oder wie er an Insekten auf der Blattunterseite herankommt und an solche, die am Stengel saugen? Sind solche Fragen geklärt, verschwinden Insektizide perspektivisch von der Liste der Ackergifte.

Zur Lasertechnik selbst gibt es ebenfalls Alternativen: Andere Unternehmen haben Roboter entwickelt, die Unkräuter mechanisch und mit Hilfe eines Rammstabes beseitigen, vergleichbar der Handarbeit im ökologischen Landbau. Wieder andere setzen darauf, auf dem Acker Unkraut- und Schädlingsnester zu erkennen und gezielt mit Gift zu beseitigen. Das hat dann zwar nichts mit Bio-Landbau zu tun, ermöglicht aber, die Giftmenge auf einen Bruchteil zu reduzieren.

Per GPS den Nährstoffbedarf von Böden ermitteln

IT-Lösungen gibt es auch fürs gezielte Düngen: Mit Hilfe von GPS und modernster Satellitennavigation können Landwirte sich exakt am Nährstoffbedarf ihrer Böden orientieren. Die Fachhochschule Osnabrück entwickelte dazu bereits vor Jahren einen elektronisch gesteuerten Universaldüngertreuer, der Kuhmist oder Schweinedung so gezielt auf dem Acker ausbringt, dass eine Überdüngung ausgeschlossen ist.

Für Ackerbaubetriebe sind GPS-gesteuerte Lenksysteme hilfreich, wie das Beispiel der Familie Großmann-Neuhäuslerzeigt. Ihr Betrieb baut auf rund 500 Hektar um Pasenbach nördlich von München nach den Kriterien des ökologischen Landbaus Dinkel, Weizen, Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten, Rote Beete, Sellerie, Einlegegurken und Kohl an.„Die präzise Steuerung hilft, dass unsere Trecker autonom und schnurgerade die Spur halten und es keine Anschlussüberlappungen gibt“, beschreibt der für die Maschinentechnik verantwortliche Georg Großmann-Neuhäuslerdie Vorteile. Bis auf drei Zentimeter genau kann eine Maschine zwischen den Reihen Unkraut entfernen. „In der Reihe und jeweils drei Zentimeter links und rechts davon müssen wir aber immer noch von Hand hacken.“

Weil der Familienbetrieb viele Saisonarbeiter braucht, wäre der Landwirtfroh, wenn die Unkrautbeseitigung komplett vom Computer übernommen werden könnte. Möglich ist das derzeit noch nicht. Ob sich die Technik für kleinere Höfe rechnet, bezweifelt er: 5000 Euro koste es bereits, einen Trecker so vorzurüsten, dass er überhaupt automatisch gelenkt werden kann. Das hat noch nichts mit einem Präzisionsmodul fürs Hacken zu tun. Das schlägt dann nochmals mit bis zu 15.000 Euro zu Buche. „Diese Kosten kann ein kleiner Betrieb nicht auf die Fläche umlegen.“ Ohnehin könne ein Landwirt nie vollkommen ersetzt werden, weil kein Computer entscheiden kann, ob der Boden zu nass oder zu trocken für die Arbeit auf dem Feld ist und wie tief gehackt werden muss.

Die Vielfalt in der Landwirtschaft wieder herstellen, wo sie verschwunden ist

Noch sieht die Digitalisierung im Landbau jedoch oftmals so aus, dass die Bauern versuchen, ihren bekannten Maschinenpark effizienter einzusetzen und damit den Einsatz von Pestiziden und Düngemitten zu reduzieren. Das ist jedoch weit von dem Potenzial entfernt, das die neuen Techniken ermöglichen und die zunehmend auch die Tierhaltung bestimmen. Der Landwirt der Zukunft ist ohne Computersteuerung wohl nicht mehr denkbar.

Unter dem Stichwort Landwirtschaft 4.0 diskutiert die Branche inzwischen dessen Potenzial. Und das scheint gewaltig. „In der Vergangenheit wurde unsere Kulturlandschaft an dumme, große Maschinen angepasst“, fasst Walter Haefeker die Entwicklung der letzten Jahrzehnte zusammen. Hecken und Bäume sind verschwunden, damit in einer leergeräumten Landschaft mit großen Maschinen großflächig Monokulturen bestellt werden konnten. „Mit kleinen und intelligenten Robotern ist die gegenteilige Entwicklung möglich. Und weil diese Geräte klein sind, werden sie vergleichsweise billig sein.“ Damit entstehe ein zweites Optimum: Derart kostengünstige Maschinen müssen nicht schnell sein, um ihre Investition wieder einzuspielen. Sie können in aller Ruhe auf dem Acker Raupen, Läuse und Unkräuter beseitigen und dazu beitragen, die Vielfalt unserer Landschaft sogar dort wieder herzustellen, wo sie verschwunden ist.

Einen Vorschlag zur schnelleren Umsetzung hat Walter Haefeker bereits gemacht: Als Mitglied am Runden Tisch zum Thema Artenvielfalt, den Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nach dem äußerst erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ eingerichtet hat, hat er vorgeschlagen, in einem Begleitgesetz Agrarroboter mit einem maximalen Leergewicht von 150 Kilound einer Geschwindigkeit von höchstens fünf Kilometern pro Stunde genehmigungsfrei betreiben zu dürfen. Damit wäre das Problem gelöst, dass es für autonom fahrende Landmaschinen in Deutschland derzeit keinen klaren Rechtsrahmen gibt. „Wir geben damit kleinen, preiswerten Systemen und mittelständischen Herstellern einen Vorsprung, weil sie ohne Zeitverzug und Regulierungskosten den Markt erreichen.“ Das wäre der schnellste und einfachste Weg, mindestens 90 Prozent des Herbizideinsatzes in Bayern überflüssig zu machen. Gute Aussichten für Mensch, Natur und Bienen.

Dieser Artikel erschien in etwas abgewandelter Form im Juli 2018 in der Zeitschrift „Schrot & Korn“.

Dr. Horst Hamm –
schreibt seit 30 Jahren über Umweltthemen und war bei der Zeitschrift natur 18 Jahre Redakteur und stellv. Chefredakteur. Heute gehört er zu den Initiatoren und Machern des MehrWERT-Magazins.