Frau Prof. Gallmann, welche digitalen Techniken gibt es in der Nutztierhaltung?
Bereits ausgereift ist die elektronische Einzeltiererkennung in der Rinder- und Schweinehaltung über geeignete Ohrmarken und Lesetechniken. Bei Hühnern oder Gänsen ist das möglich, es wird aber in der Praxis noch nicht gemacht. Der Milchviehstall ist am meisten mit Automatisierung ausgestattet. Neben Aktivität und Kauverhalten mit Sensoren am Kopf könnenTemperatur und pH-Wert der Küheüber Sensoren im Pansen gemessen werden. Damit managen Tierhalter ihre Herde und dokumentieren von jedem Tier, wie es sich verhält, wie viel es frisst und welche Leistung es erbringt. Die Daten helfen, die Fütterung anzupassen oder zu erkennen, wann ein Tier krank ist und Hilfe braucht. Wir nennen das „Precision Livestock Farming“.
Welche Landwirte nutzen solche Systeme?
Mir liegen keine belastbaren Zahlen vor, aber ich schätze, dass Bio-Milchviehhalter die Potenziale der Digitalisierung genauso nutzen wie ihre konventionellen Kollegen.
Können sich das auch kleine Betriebe leisten?
Ab einer bestimmten Größenordnung wird die digitale Vollausstattung heutzutage als Managementhilfe benötigt und ist dann auch finanzierbar. Und wenn ein Landwirt mit nur zehn oder 20 Kühen sehr stark ausgelastet ist, dann helfen auch ihm Aktivitätssensoren, etwa bei der Brunftvorhersage oder vor dem Kalben.
Sehen Sie die Gefahr, dass Wissen und Kulturtechniken verloren gehen?
Dagegen schützt gutes Basiswissen, das Landwirte in ihrer Ausbildung und bei uns an den Universitäten bekommen. Die Empathie des Bauern für seine Tiere und das Wissen über biologische Zusammenhänge sind nicht ersetzbar. Wenn aber Roboter das Ausmisten und Füttern übernehmen, dann hat ein Landwirt Zeit für einen qualifizierten Stallrundgang.
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Dr. Horst Hamm –
schreibt seit 30 Jahren über Umweltthemen und war bei der Zeitschrift natur 18 Jahre Redakteur und stellv. Chefredakteur. Heute gehört er zu den Initiatoren und Machern des MehrWERT-Magazins.